DBDDHKP - oder ich wünschte, Einstein hätte sich geirrt
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Angeblich hatte Albert Einstein sich nicht nur zur Unendlichkeit des Universums, sondern auch zur Unendlichkeit der menschlichen Dummheit geäußert. Beim Universum soll er sich nicht ganz sicher gewesen sein.
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Vielleicht ist dies der Ursprung von "DBDDHKP". Das haben wir uns als Kinder immer entgegengebrüllt, wenn wir der Meinung waren, es mit einem völlig verblödeten Spielkameraden zu tun zu haben.
Was die Abkürzung bedeutet, wissen heutzutage nur noch ein paar alte Säcke und solche alten Schachteln wie ich.
Meine mehrere Jahre jüngere Freundin M. hat die Bedeutung allerdings fast geknackt – sehr zum Amüsement ihrer Familie, wie sie mir berichtete.
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Auch wenn ich mir wünschte, Einstein hätte sich geirrt, begegnen mir doch immer wieder Situationen, in denen ich darüber hinaus wünschte, jemand würde eine Pille gegen Dummheit und Ignoranz erfinden.
So rammte mich neulich im Bus eine Frau mit ihrer Handtasche an der Schulter und ein Mann parkte seinen Ellbogen auf meinem Kopf. Beides geschah innerhalb weniger Minuten und keiner der beiden schien etwas davon mitbekommen zu haben.
In der S-Bahn gerate ich auch immer wieder in die eigenartigsten Situationen. Als ich einen freien Sitzplatz ansteuerte, bekam ich von einer Frau zu hören, dies wäre ihr Platz und es würden noch ihre zwei Freundinnen kommen, die auch dort sitzen wollen. Ich solle gefälligst woanders hin gehen.
Vielleicht sollte die S-Bahn demnächst dazu übergehen Platzkarten zu verkaufen. Da es dort sowieso schon zugeht wie im Theater, würde das sogar passen.
Ich schaffte es, meinem guten Vorsatz für dieses Jahr – nämlich
mich nicht über jeden Sch... aufzuregen – treu zu bleiben.
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Mal sehen, wie lange ich das noch durchhalte. Corona
macht´s mir nämlich nicht leicht.
Ob die Leute, die das Klopapier hamstern, es essen? Oder hat
meine Kollegin C. recht, die die Vermutung äußerte, das Virus
würde das Gehirn befallen und für geistigen Dünnschiss sorgen,
deshalb gäbe es in den Geschäften keines mehr?
Wie dem auch sei – ein bisschen habe ich noch davon.
Vielleicht sollte ich es gewinnbringend verkaufen und
anschließend einen langen Urlaub machen.
Eventuell auf dem Mond. Da soll es um diese Zeit ja sehr schön sein.
Und Klopapier brauche ich in meinem Raumanzug auch nicht.
Wer braucht denn schon Alexa
​
Es ist noch gar nicht so lange her, da fiel
spätabends der Strom aus. Ich saß gerade
am PC und sah meine E-Mails durch, als
plötzlich alles außer meinem Monitor in
absoluter Schwärze versank.
Da mein Mann und ich Taschenlampen
besitzen - solche wo eine kleine Kurbel dran
ist, mit der der Strom erzeugt wird - kamen
wir ganz gut zurecht.
Irgendwann in der Nacht war der Strom
wieder da und ich schoss aus dem Schlaf
hoch, weil überall das Licht anging. Während
ich schlaftrunken herumstolperte und es
wieder ausknipste, dachte ich darüber nach,
wie gut es doch ist, dass wir kein Smart-Home
haben. Da braucht es ja nicht mal einen Stromausfall, um sich auszusperren.
Mein Mann erzählte mir unlängst von einem Video, dass er gesehen hatte, und in dem
jemand vergeblich versuchte, Einlass in sein Haus zu finden. Das schlaue Häuschen war auf die Stimme des Bewohners programmiert. Der jedoch war zuvor beim Zahnarzt gewesen,
hatte eine dicke Backe und eine dementsprechend undeutliche Aussprache. Er stand in
strömendem Regen vor der Tür und versuchte, sein Domizil zu überzeugen, selbige zu öffnen.
Er erreichte aber nur, dass das Licht an und ausging, dass sich die Rollläden in Bewegung
setzten und dergleichen mehr. Wie mag da wohl der Schlüsseldienst der Zukunft aussehen?
Auf der anderen Seite frage ich mich manchmal, wie wir eigentlich ohne Smartphone zurecht
gekommen sind. Wie haben wir uns verabredet? Wie haben wir Informationen gesammelt
oder uns ausgetauscht?
Irgendwie gab es immer jemanden, der jemanden kannte, der die Antwort auf die Frage
hatte, die uns gerade umtrieb. Zum Beispiel, ob die Schale vom Kürbis essbar ist oder nicht.
Heute bemühen wir das Internet und kommunizieren über WhatsApp. Das ist ja ganz
praktisch. Ich bin auch ich froh, dass ich meine Geschichten nicht mit der Schreibmaschine
tippen muss.
Wenn ich aber sehe, wie sich in der S-Bahn zwei Leute, die sich offenbar gut kennen
gegenüber sitzen, auf ihre Smartphones starren und per WhatsApp miteinander
kommunizieren, ohne sich auch nur einmal direkt ins Gesicht zu sehen, kann ich mich nur
noch wundern.
In meiner ersten eigenen Wohnung hatte ich sogar noch ein Festnetztelefon mit Wählscheibe!
Und an der Kellertreppe waren Lichtschalter aus Bakelit angebracht, die laut geknackt haben,
wenn sie gedreht wurden, um das Licht ein- oder auszuschalten. Irgendwann wird nur noch
Onkel Google wissen, was es damit auf sich hatte.
Jetzt übernehmen die Smombies. Mein Mann musste mir übrigens erklären, was das ist – ein
Smombie. Ich hatte das Wort noch nie gehört. Allerdings habe ich kurz darauf einen gesehen,
der auf sein Gerät glotzend, im Dunkeln die Straße überquerte, stolperte und beinahe der
Länge nach hinschlug. Wahrscheinlich hat seine Taschenlampen-App versagt.
Da bin ich doch lieber altmodisch mit ´ner richtigen Taschenlampe unterwegs.
Carpe diem - oder heute ist ein guter Tag zum Schreiben
In den Action-Filmen, die ich ab und zu gerne gucke, haben die Helden der Story immer
obercoole Sprüche drauf. Das ist so realitätsfern, dass ich nur lachen kann.
Ein Satz gefällt mir besonders gut: "Heute ist ein guter Tag zum Sterben". Das ist sooo ein
Klischee - und genau genommen auch überhaupt nicht komisch.
Aber, irgendwie verbinde ich trotzdem mit diesem vielzitierten Ausspruch etwas Positives. So
in der Richtung, dass heute ein guter Tag ist, um genau das zu tun, was nötig ist, worauf Du
Lust hast oder was gerade passt, weil es regnet.
Carpe diem. Nutze den Tag für was auch immer gerade Dein Thema ist. Hauptsache ist, Du
gehst voll in Deiner Tätigkeit auf und lässt Dich nicht ablenken. Der Tag ist nun mal so, wie er
ist. Nimm ihn hin. Akzeptiere ihn und mach´ das Beste daraus, das Dir möglich ist. Der heutige
Tag wird sich nicht wiederholen. Jede Minute, die verstreicht lässt den gegenwärtigen
Augenblick schon Vergangenheit werden.
Wow, ich wusste gar nicht, wieviel Philosophie in einem einzigen Satz aus einem B-Movie
untergebracht werden kann.
Da lege ich doch gleich mal los, oder um genau zu sein, mache ich gleich mal weiter.
Heute habe ich nämlich schon meinen persönlichen Rekord gebrochen. Notizen für mehrere
Murksgeschichten habe ich mir, im Garten in der Sonne sitzend, schon gemacht und einige
davon bereits ausgearbeitet. Und das alles innerhalb von wenigen Stunden! Wenn dass nicht
Carpe diem ist, dann weiß ich auch nicht ...
​
Die Sonne ist hinter einer dicken grauen Wolke verschwunden. In der Ferne höre ich es
donnern und die ersten Regentropfen fallen auf meinen Murks-Läppi.
Ich bin zwar wasserdicht, die Elektronik aber nicht.
Jetzt aber schnell alles eingeräumt und nach drinnen getürmt.
Dort sitze ich am Fenster und freue mich über den Regen.
Toll! Es regnet und das bedeutet, mein Mann steht nicht mit
dem Gartenschlauch in irgendeinem Beet rum, sondern kann
mir einen weiteren Kaffee servieren und – noch besser - sich
meine neuen Murksgeschichten anhören.
Noch mehr Carpe diem oder in modern: YOLO!
Yipieh-ya-yeah, Schweinebacke!
Hoffentlich regnet es heute noch lange, dann können wir
nach dem Essen einen Action-Film gucken.
Jetzt gehen sogar schon die Kühe auf die Straße
Mein erster Gedanke als ich die Kühe auf
der Straße sah war: wo kommen die denn
her? Der zweite: ist das eine Demo?
Angebracht wäre das. Bisher gehen ja nur
wir Zweibeiner auf die Straße um gegen
Massentierhaltung, übermäßigen
Fleischkonsum, artgerechte Haltung usw.
zu demonstrieren. Natürlich war es keine
Demo - schade eigentlich. Die Rindviecher
waren einfach durch einen defekten Zaun
von ihrer Weide getürmt um... ja, um was
zu tun? Wahrscheinlich sind sie einfach
dem Herdentrieb gefolgt; etwas, was wir
ja leider auch viel zu oft tun, und sind der
ersten Kuh, die den ersten Schritt nach
draußen gemacht hat einfach hinterher
gelatscht.
Trotzdem stelle ich mir gerne vor, sie wollten einfach mal etwas anderes sehen, als das
ewige Grün, die Zweibeiner in ihren Autos ärgern, indem sie die Straße blockieren,
demonstrieren oder einfach mal so spazieren gehen.
Ich habe eben eine blühende Fantasie ... Das ist auch der Grund, warum ich trotz allem, was
wir diesen Tieren so abverlangen (Milch geben) und antun (aufessen) manchmal wünschte,
ich wäre eine Kuh. Die Weiden in Brandenburg sind schön groß und grün – da fände ich es
nett, ab und zu auch dort stehen, liegen oder umher latschen zu dürfen.
Die Rindviecher sehen immer so verdammt entspannt aus, als hätten sie permanent
Feierabend. Natürlich haben sie auch Stress (zum Beispiel wenn es ans Schlachten geht), aber
seien wir mal ehrlich: wenn wir uns aus weltanschaulichen, moralischen oder sonstigen
Gründen – vielleicht, weil es uns einfach mal nicht schmeckt - vegetarisch oder vegan
ernähren: wir Menschen sind evolutionär betrachtet "Allesesser".
Das bedeutet natürlich nicht, dass wir alles essen sollten – ich denke da an Billigwurst oder
zentnerweise Rindfleisch aus Südamerika.
Für mich bedeutet der sorgsame Umgang mit den Ressourcen (dazu gehören auch Kühe und
anderes Getier), wenn ich denn schon mal Fleisch esse, dann muss es von einem Tier
stammen, das sein Leben artgerecht und nicht eingesperrt, gequält oder hochgezüchtet
verbracht hat.
Das sind doch nur Richtlinien
Wie ich ja bereits an anderer Stelle erwähnte, lässt sich meiner Meinung nach über
Geschmack schlecht streiten. Ich finde in Bezug auf´s Essen gibt es nur zwei mögliche
Alternativen – entweder es schmeckt, oder es schmeckt nicht.
​Daher habe ich auch kein Problem, wenn die eine oder andere Zutat gerade nicht erhältlich
ist. Sei es weil sie ausverkauft ist oder regional gerade keine Saison hat. Dann weiche ich
entweder auf ein anderes Gericht aus oder auf eine oder mehrere andere Zutaten.
Wenn ich in der Küche stehe gibt es kein richtig oder falsch. Es wird gemurkst, was das Zeug
hält. Und wenn ich die Einzige bin, der das Ergebnis schmeckt, ist es mir auch wurscht.
Wichtig ist für mich nur, dass meine Murksereien – bis auf wenige Ausnahmen -
alltagstauglich sind. Daher finde ich auch die sogenannte "Crossover-Küche" so interessant.
Hier ist auch erlaubt, was gefällt.
Spannend finde ich es auch, wenn bewährte Klassiker neu interpretiert werden. Wenn Euch
aber die Klassiker so schmecken, wie sie bereits seit Ur-Ur-Ur-Omas Zeiten zubereitet werden,
ist das auch kein Grund zur Besorgnis. Bloß weil etwas neu ist, muss das ja nicht bedeuten,
dass es zwangsläufig auch besser ist. Ich finde es nur doof, sich geradezu krampfhaft an
irgendwelche Vorgaben zu klammern.
Das ist mir zu langweilig und auch wenn
das jetzt politisch nicht korrekt ist, ich finde
das kann jeder dressierte Affe. Doof finde
ich auch die "perfekt ausgewogenen"
Gewürzmischungen berühmter Köche, die es
fast überall zu kaufen gibt. Damit will ich
nicht sagen, dass man von denen nichts
lernen kann, im Gegenteil. Aber es gibt ihn
nicht, den perfekten Geschmack. Das wäre
ja schlimm. Dann würden ja alle Menschen
morgens, mittags und abends überall auf
der Welt das Gleiche essen. Für mich eine
geradezu gruselige Vorstellung ...
Wenn Ihr also etwas nicht mögt, dann lasst
es einfach weg oder tauscht es gegen
etwas anderes aus.
Ein schönes Beispiel lieferte mir vor noch gar nicht so langer Zeit mein Lieblingsneffe.
Während ich zu denen gehöre, die Brokkoli mögen, verabscheut er ihn und findet, der
würde wie ein Baum auf seinem Teller aussehen.
Ich mag nicht nur Brokkoli, ich mag auch Bäume. Aber ich möchte doch sehr bezweifeln,
dass es mir gefallen würde, einen auf meinem Teller vorzufinden.
​
Doofe Tomaten
Mein Mann überbrachte mir vor einiger Zeit den Wunsch einer Arbeitskollegin nach einem Rezept für "Tomatensuppe" *. Nichts leichter als das – dachte ich, und machte mich ans Werk.
In einem alten Kochbuch aus den 1950er Jahren wurde ich fündig und fand, dass dies eine
gute Gelegenheit wäre, das Klassiker-Kapitel zu erweitern.
Mein Mann und ich gehen also einkaufen und bringen einen ordentlichen Schwung Tomaten
nach Hause.
Ich lege los und fange bereits während der Vorbereitungen an, mich zu wundern. Ist das ein
Schreibfehler im Rezept? So viel Wasser? Mmmh ... Ich mache weiter und steuere sehenden
Auges auf die Katastrophe zu. Diese Suppe ist ungenießbar. Wässrig, geschmackslos und rot
ist sie auch nicht. Ich bin mir nicht im Klaren, ob es am Rezept liegt – hat man das damals
so gegessen? – oder ob die Tomaten schuld sind. Ich habe die Tomaten in Verdacht und
meine mich zu erinnern, dass die in meiner Kindheit irgendwie aromatischer und vor allem
richtig rot waren. Was ist heutzutage bloß mit den Tomaten los? Die verdienen den Namen
gar nicht. Sind die so genmanipuliert selbstverteidigend und gleichgeschaltet, dass im
Genpool kein Platz mehr ist für Geschmack? Verklagen sollte man die Dinger! Da koche ich
mal nach Anleitung und dann geht es dermaßen in die Hose ...
Also, zurück auf Start oder - weil ich die Suppe nicht wegkippen will - retten, was zu retten
ist. Ich verdreifache also die Menge an Zucker und haue noch etwas mehr Butter und jede
Menge Tomatenmark in den Topf. Der Cholesterinspiegel lässt grüßen!
Im Froster finde ich noch ein paar Kräuter, die ich geerntet und eingefroren habe.
Die kommen auch noch mit rein. Meinem Mann schmeckt das
Ergebnis. Ich finde es genießbar, bin aber enttäuscht
und verärgert. Und wie das bei mir so ist, wenn ich
mich ärgere: ich wandle die Ärger-Energie in
Kreativität um und kreiere meine eigene
Tomatensuppe. Das macht sowieso mehr Spaß!
Immerhin habe ich aus diesem Desaster
einiges gelernt:
• Ich weiß jetzt, wie Croutons gemacht werden.
• Ich habe wieder etwas, worüber ich schreiben
kann.
• Ich erkenne, wie wenig ich über Tomaten weiß.
• Ich denke darüber nach, selbst welche anzubauen.
• Ich habe die Chance wieder etwas Neues zu murksen
– Jippieh!
Wollrausch und Maschenwahn
​
Ob die pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen oder der
Umstand, dass es in dem alten Gemäuer, in dem ich arbeite,
im Winter so kalt ist oder beides oder gar nichts davon der
Auslöser waren? Ich weiß es nicht.
Tatsache ist jedenfalls, dass in meinem Kopf der Wunsch nach
einer warmen roten Strickjacke keimte. Gefunden
habe ich bloß keine, die mir gefiel. Entweder sahen
sie mir zu bieder aus oder sie gefielen mir, es gab
sie aber nicht in rot. Und ich meine wirklich richtig
rot. So ein Feuermelderrot, bei dem mir schon
beim Angucken warm wird.
Mein Freund B. - das ist der, der findet, dass mein selbstgebackenes Brot wie gekauft aussieht
– hat einmal festgestellt, ich sei eine Frau der Tat. Damit hat er Recht. Weil ich keine Jacke
finden konnte, die mir gefiel, habe ich selbst eine entworfen, jede Menge Papier mit Skizzen
und Berechnungen vollgekritzelt, Wolle gekauft und losgelegt. Erfreut stellte ich fest: ich kann
es noch. Stricken ist offenbar wie Fahrradfahren – das verlernt man ja auch nicht.
Nach vielen Jahren der Abstinenz bin ich von einem Tag auf den anderen dem Maschenwahn
verfallen und befinde mich im Wollrausch. Da kann ich sogar der Pandemie noch etwas
Positives abgewinnen und den Nachteil in einen Vorteil verwandeln, indem ich die Zeit nutze,
in der ich mich nicht mit Freundinnen, Freunden und Familie treffen kann - ich kann ja nicht
endlos telefonieren.
So habe ich ein altes Hobby neu entdeckt, bin auf meine Strickarbeit fokussiert und denke
nicht an Corona. Als netter Nebeneffekt entspannen sich meine verkrampften Muskeln und
sogar eine muskuläre Blockade im Rücken löste sich nach wenigen Tagen mit lautem
Knacken. Vielleicht sollte ich die Kaufquittung meiner knallroten Wolle bei der Krankenkasse
einreichen – ein chiropraktischer Eingriff wäre bestimmt teurer gewesen.
Natürlich läuft nicht alles glatt. Da ich so lange abstinent war, geht auch so Einiges schief und
ich musste bereits Gestricktes wieder aufribbeln und neuanfangen. Aber ich bleibe positiv
eingestellt und halte es mit Roosevelt, der gesagt hat, dass du daran glauben musst, dass du
es kann und schon hättest du es halb geschafft. Entweder hat der Mann nie gestrickt oder er
war darin einfach besser als ich.
Jedenfalls werde ich dafür sorgen, dass der kleine Handarbeitsladen bei mir im Ort
– wenn er hoffentlich den Lockdown überlebt – mächtig gewaltig Umsatz machen wird.
​​
So, jetzt muss ich aber weiterstricken, sonst ist der Winter vorbei, bevor meine „Decke zum
Rumlaufen“ fertig ist.
Illustration unter Verwendung einer Grafik von Clker-Free-Vector-Images/Pixabay
​
Der mediterrane Eisbär
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Auch wenn es gerade schneit wie bestellt, die Klimaerwärmung ist allgegenwärtig.
Sie begegnet uns nicht nur in den Medien, wo von schmelzenden Polkappen berichtet wird
und welche Auswirkungen das auf die Lebensräume und Lebensbedingungen der Eisbären hat.
Die werden dann schon mal zu Einbrechern, die in Häuser eindringen und den Bewohnern den
Kühlschrank ausräumen. Es wäre fast zum Lachen, wenn
es nicht so traurig wäre. Wenn das so weitergeht,
werden die Polarbären, wie sie auch mancherorts
genannt werden, aussterben.
Bereits jetzt gibt es Vermischungen mit den auf dem
Festland lebenden Grizzlybären. Die Nachkommen von
Eis- oder Polarbär und Grizzly heißen Pizzly – im Ernst.
Mein Mann brachte irgendwann einmal dieses Wort
"Pizzly" nach Hause und fragte mich, ob ich wüsste, was
das ist. Für mich klang das nach dem Namen eines
neuen Schokoriegels und ich musste erst einmal
schmunzeln. Als mein Mann mir dann aber erläuterte,
was es damit auf sich hat, ist mir das Schmunzeln
vergangen.
Persönlich hätte ich zwar nichts dagegen, wenn es im Winter nicht mehr so sch... kalt wäre,
aber irgendwie wäre es doch schade um die Eisbären.
Um den Schnee eigentlich auch. Wenn ich nicht unbedingt raus muss, sondern ihn mir aus
sicherer Entfernung vom Fenster aus angucken kann, finde ich Schnee sehr schön. Vor allem,
wenn die Sonne drauf scheint und er so hübsch glitzert. Außerdem gäb´s ohne Schnee keine
Schneeballschlachten und keine Schneemänner ...
Bevor übrigens das Thema Gender populär wurde, hat mein Vater bereits für die
Gleichbehandlung des Schnees gesorgt. Er war der Meinung, wenn es Schneemänner gibt,
muss es auch Schneefrauen geben und baute eine riesige Schneemadam mit einem gewaltigen
Busen, damit auch ja keine Zweifel aufkommen, worum es sich handelt. Das würde ich gern
wiederholen. Und sei es nur, um zu sehen, was meine Nachbarn für ein Gesicht machen.
So wie sich das Klima in letzter Zeit verändert hat, werde ich, um eine Schneefrau bauen zu
können, die die Bezeichnung auch verdient, Urlaub auf Spitzbergen machen müssen.
Der aktuelle Schnee reicht dafür nicht. Da muss ich mir ja noch den Schnee vom Nachbarn
holen, damit meine Schneefrau überhaupt über den Gartenzaun gucken kann. Also doch
Spitzbergen? Mein Mann war schon dort und hat mir davon berichtet.
Von seiner Reise brachte er mir Porzellanschalen mit, auf deren Boden ein Eisbär abgebildet ist.
Ich verwende sie gerne um mediterrane Gerichte zu servieren, weil ich finde, dass die mit
ihrem schmalen blauen Rand irgendwie... ja, irgendwie mediterran aussehen.
Irgendwann wird es Eisbären nur noch im Zoo und auf dem Grund dieser Schalen geben.
Allerdings werden dann im Winter bestimmt keine Erdbeeren mehr aus Marokko, Weintrauben
aus Indien und Lauchzwiebeln aus Ägypten importiert werden.
Dann werden auch Bananen und Ananas bei uns regional sein und alles ist wieder gut.
Stampede - oder wenn die Ideen mit mir durchgehen
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Wir hören Schallplatten, mein Mann und ich.
Gerade dreht sich "Neil Young - Live at Massey Hall 1971" auf dem Plattenteller.
Gegen Ende des Konzertmittschnitts ist ein begeistertes Publikum zu hören. Es wird geklatscht
und getrampelt. Hört sich an wie eine Stampede. Mein Mann und ich haben den gleichen
Gedanken.
Zum Glück kennen wir das Geräusch nur aus Filmen. Western gucken wir beide gerne.
Ein Glück für mich, denn so war es relativ einfach, meinen Mann zu überzeugen, uns die alte
Westernserie "Rawhide" oder "Tausend Meilen Staub", wie sie bei uns heißt, auf DVD zuzulegen
und an langen Winterabenden anzuschauen. An einem solcher Abende hatte ich so etwas wie
ein déja vu. Ich kann mich nicht erinnern, die Serie angeschaut zu haben, als sie erstmals im
deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde, und die Wiederholung habe ich irgendwie verpasst.
Aber: Ich erinnere mich an den Charakter des Kochs des Viehtriebs - Wishbone - und an den
Küchenplanwagen mit der ausklappbaren Arbeitsfläche!
Vielleicht hat meine Mutter mich vor dem Fernseher
abgelegt als die Serie lief und ich habe unbewusst
etwas davon mitbekommen. Bis zur ersten Szene mit
dem Planwagen und dem Koch war ich jedenfalls
felsenfest davon überzeugt, noch nie eine einzige
Folge gesehen zu haben. Offenbar hatte ich mich geirrt.
Als dann in einer Folge der Serie Wishbone sein Leid
darüber klagt, immer das Gleiche zubereiten zu
müssen und wie langweilig dies sei, so dass er sich
immer neue fantasievolle Namen für´s Essen
ausdenken müsse und irgendwann die Worte "Knöpfe"
und "Prärie-Erdbeeren" als Synonyme für Bohnen
fielen, war es um mich geschehen. Ich war fest
entschlossen eine kulinarische Hommage an das
Westerngenre generell und insbesondere an
"Rawhide", zu murksen.
Nachdem ich bereits den Titel für mein Rezept
im Kopf hatte, entstand einige Wochen später
"Falsche Kuh mit Prärie-Erdbeeren" *.
Wie ich also diese "Stampede" auf der LP mit dem
Konzertmitschnitt höre, kommt folgende Assoziationskette
in Gang: Stampede -> Westernfilme -> Rawhide -> Planwagen -> Wishbone, der Koch -> meine
Rezeptidee -> meine kleine Plüschkuh -> Foto von der Kuh mit Erdbeeren im märkischem Sand
-> Rezeptfoto gibt´s schon -> schade, kein Platzhalter erforderlich -> also benötige ich kein Foto
-> ich will aber trotzdem eins haben -> Grund genug für einen Ausflug mit meinem Mann zum
Foto-Shot -> die Geschichte schreiben, wie mir die Idee für´s Rezept gekommen ist, damit das
Foto seine Daseinsberechtigung hat -> YEP!!
Das Ungeheuer aus dem Kompost
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​Eines Abends klingelte mein Telefon. Mein Vater war dran und fragte mich, ob ich in letzter
Zeit Fleischtomaten gegessen hätte. Einigermaßen verwundert sagte ich: Jaaa!? Dann ist ja
alles klar, meinte er. Jetzt war ich komplett verwirrt, aber da mein Vater sich unbedingt
mitteilen wollte, musste ich gar nicht nachfragen. Die Erklärung kam prompt. Aus seiner
offenen Kompostmiete würden seitlich Fleischtomatenpflanzen herausragen, sagte er.
Das kam ihm komisch vor, weil er die nicht mochte und sie daher nicht von ihm sein konnten.
Da er wusste, dass ich meinen Bio-"Müll" einmal wöchentlich mit dem Fahrrad in seinen
Schrebergarten transportierte, war ich seine erste und einzige Verdächtige. Er hatte gern alles
im Griff und unter Kontrolle, deshalb sein Anruf. Er telefonierte nämlich äußerst ungern.
Die geheimnisvollen Tomaten müssen ihn wirklich beschäftigt haben.
Inzwischen habe ich meinen eigenen Garten und meine eigenen Komposter. Das sind so grüne Kunststoffkisten mit Deckel zum aufklappen, sogenannte Thermokomposter.Die sind toll.
Einer wird immer befüllt, während im zweiten meine kleinen dicken Gartenhelfer in Ruhe vor
sich hin arbeiten können. Im ersten geht ab und zu mal das Licht an, wenn ich etwas
hineinwerfe. Aber das halten meine kleinen Helfer aus ohne gleich zu türmen. Allerdings wäre
ich einmal fast getürmt, als ich den Komposter aufklappte und sich mir die grünlich-weißen
Tentakeln des Kompost-Ungeheuers entgegenstreckten.
Die Furcht vor dem Unbekannten ist etwas archaisches, das offenbar noch aus Zeiten stammt,
als wir noch in Höhlen hausten und es im Dunkeln aufgrund nachtaktiver Raubtiere so richtig
gefährlich war.
Ich machte also unwillkürlich einen Schritt zurück und mein erster Gedanke war: Da wohnt
ein Ungeheuer in meinem Kompost.
Mein zweiter Gedanke war: Das hat da
nichts zu suchen, ich werde es vertreiben.
Und erst danach dachte ich: So ein
Quatsch!
Es befand sich schon etwas Lebendiges
dort drinnen und es sah schon
"alienmäßig" aus, aber ich schrecke ja
nicht mal vor dem großen Tigerschnegel
zurück. Der ist übrigens auch ein
nachtaktives Raubtier, mit den Nackt-
schnecken verwandt, macht er Jagd auf
sie und kann schon ganz schön dick und
lang werden. Vor dem hatte ich mich
aber nicht erschreckt. Auch nicht vor den
Blindschleichen, die ich geradezu
liebgewonnen habe.
Es war etwas anderes und ebenfalls völlig
harmloses, nämlich der Austrieb einiger überlagerter Kartoffeln.
Und dafür diese Aufregung ...
Als ich neulich meinen - aufgrund der Klimaerwärmung inzwischen winteraktiven -
Regenwürmern wieder etwas Kaffeesatz spendieren wollte, grinste mich erneut ein
tentakelbewehrtes Ungeheuer an. Dieses war giftgrün ... Ach, dachte ich, das wird dann wohl
die gammelige Zwiebel sein.
Hang ´em high - oder wie Newton mir beim backen hilft
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Von meinem Mann habe ich gelernt, dass kochen
und backen so einiges mit Physik und Chemie
zu tun haben.
Daher habe ich mir den alten Newton, oder
genauer gesagt, die von ihm so wunderbar
beschriebene Schwerkraft beim Brotbacken zu
Hilfe geholt.
Newton soll ja einen Apfel beobachtet haben,
der vom Baum fiel und somit das Gesetz der
Schwerkraft entdeckt haben.
Also habe ich mir gedacht, was mit einem Apfel
funktioniert, klappt mit einem schweren Brotteig
erst recht.
Da ich keine Brotbackmaschine besitze, ich wüsste
gar nicht, wo ich die in meiner kleinen Küche
hinstellen sollte, knete ich meinen Teig erst einmal
mit dem Knethaken meiner Küchenmaschine und dann mit den Händen.
Das Formen der kleinen Bärlauchbrote ist simpel. Da teile ich den großen Teigklumpen mit einem Messer in vier ungefähr gleich große (oder kleine) Teile und bringe sie in Form - rund oder länglich - wie ich gerade so drauf bin. Trotzdem sieht jedes, auch wenn ich sie gleich geformt habe, anders aus, wenn sie aus dem Ofen kommen. Die machen dort einfach, was sie wollen. Ob das nun Chemie oder Physik ist, ist mir ziemlich wurscht – ich bin jedes Mal aufs Neue überrascht, wenn ich das Ergebnis sehe.
Ein großes Brot zu formen ist im Vergleich dazu jedoch ein ganz anderes Kaliber. Rund ist noch
relativ einfach, wenn ich es aber länglich und schmal haben will, damit am Ende die Scheiben
nicht größer sind als die Stiefel meines Mannes, setztsich der Teig zur Wehr. Er wird an den
Enden schmal, in der Mitte dick und zieht sich unerklärlicherweise immer wieder zusammen.
​Als ich wieder einmal mit einem richtig schweren Teig mit einem hohen Anteil an Roggenvoll-
kornmehl rang und den Kampf zu verlieren drohte, ärgerte ich mich, nicht etwas mehr
Dinkelmehl untergemischt zu haben. Das macht aus dem Brotteig nämlich ein "knuffiges Kissen".
Weil der Teig nun aber so war, wie er war, kamen Newton und das Gesetz der Schwerkraft zum
Einsatz. Ich habe den Teig hochgehoben und etwas "aushängen" lassen, damit er sich in die
Länge zieht. Dann habe ich ihn umgekehrt noch einmal "hochgehängt", damit er noch länger
wird. Jetzt musste ich ihn nur noch etwas hin und her rollen, um ihm den letzten Schliff zu geben.
Was soll ich sagen? – Newton, ich danke Dir.
​
​​Illustration unter Verwendung einer Grafik von: Efen Guy/Shutterstock
Die Doppelgänger aus Pankow
​​
Da soll mir doch mal jemand erzählen, so ein Bürojob wäre langweilig. Dem zeige ich ganz
ungeniert einen Vogel.
​Ich erhalte eine E-Mail mit einer sehr langen Namensliste im Anhang und denke: Da stimmt
etwas nicht. Das sind viel zu viele Namen, die da drauf stehen. Ich greife zum Telefon. Meine
Gesprächspartnerin Frau J. stimmt mir zu. Da läuft etwas nicht ganz rund. Da wir noch andere,
dringlichere Aufgaben zu erledigen haben, verabreden wir uns zu einem Telefonat am
Nachmittag.
Das Problem lässt mir jedoch keine Ruhe und ich fange an zu ermitteln, komme mir vor wie
das Klischee eines Detektivs, der mit der Lupe auf der Suche nach Informationen ist und
versucht, sie zu einem stimmigen Ganzen zusammenzusetzen. Das ist nicht so einfach, weil
ständig mein Telefon klingelt und irgendjemand etwas von mir will.
Schließlich sehe ich die Telefonnummer von Frau J. im Display. Gesehen haben wir uns noch
nie, kennen uns nur vom Telefon. Ich habe recherchiert, begrüße ich sie.
Recherchieren ist immer gut, erwidert sie. Ja, sage ich, Wissen ist Macht. Ich erläutere ihr, was
ich herausgefunden habe und sie steuert ihre Informationen bei. Die Kuh bekommen wir schon
vom Eis, sagt Frau J. als ich mir im Laufe des Gesprächs einen saftigen Fluch nicht verkneifen
kann. Na klar, erwidere ich, das schaffen wir, die Frage ist nur, wie lange wir dafür brauchen.
Mit detektivischem Spürsinn werten wir die vorliegenden Daten und Informationen aus.
Nebenbei tauschen wir uns noch über den geballten Irrsinn aus, mit dem wir in unsren Jobs
tagtäglich zu tun haben. Zwei Mal muss sie unser Gespräch wegen eines Notfalls bei ihr vor
Ort unterbrechen. Dabei wäre es heute noch ruhig, sagt sie. Ich bin beeindruckt. Frau J., der
Fels in der Brandung.
Zielorientiert, pragmatisch und gewürzt mit politisch nicht immer korrekten Bemerkungen
meinerseits sind wir dem Fehler auf der Spur. Ich finde das jetzt richtig gut, wirft Frau J. ein.
Wir müssen uns unbedingt mal treffen, ich will Ihnen einen Kaffee spendieren. Dann spendiere
ich Ihnen ein Eis dazu, sage ich. So machen wir das, kommt die prompte Erwiderung.
Wir wenden uns wieder der Problemlösung zu und kommen schließlich unabhängig
voneinander auf das gleiche Ergebnis.
Nachdem wir die Doppelgänger aus Pankow, wie Frau J. sie nennt gefunden haben, stimmen
unsere Zahlen.
Super, alles passt, freut sie sich. Jetzt gibt´s von mir
noch das Sahnehäubchen auf´s Eis.
Na, dann muss ich ja ´ne Kirsche oben drauf setzen,
erwidere ich, so erleichtert bin ich, dass das vermeintliche
Problem gar keines ist, sondern wir es nur mit doppelten
Einträgen und Vormerkungen zu tun haben, die wir
rausrechnen können.
Schließlich stehen unsere Zahlen für echte Menschen.
​
Jetzt folgt die nächste Recherche.
Schließlich habe ich Frau J. versprochen, nach einem
kleinen gemütlichen Eiscafé Ausschau zu halten,
wo wir uns - abseits unserer Jobs - gegenseitig
unter die Lupe nehmen können.
​
Illustration unter Verwendung von Grafiken von: Schmidsi/Pixabay umd Clker-Free-Vector-Images/Pixabay
Kamele in der Mikrowelle
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An meinem Arbeitsplatz steht eine Mikrowelle. Dort mache ich mir ab und an etwas zum
Mittagessen warm. Zu Hause habe ich so ein Gerät nicht. Irgendwie ist es mir trotz allem
suspekt, etwas zu essen, was mithilfe elektromagnetischer Wellen zubereitet wird.
Das verdränge ich aber, wenn mich in der Mittagspause der Hunger packt.
Letztens habe ich ein Fertiggericht aus dem Kühlregal in der Mikrowelle rotieren lassen.
Ich hatte das bereits einmal probiert und fand es ziemlich lecker dafür, dass es sich um
"Fertigfutter" handelt. Aufgrund der mit der Zubereitung einhergehenden Geruchsentwicklung
fragte ich zuvor meine Kollegin, ob es sie stören würde. Sie guckte irritiert und fragte, was ich
denn mit Kamelen in der Mikrowelle vorhabe.
Habe ich etwas genuschelt? Natürlich habe ich keine Kamele heiß machen wollen, sondern
ein Gericht mit Garnelen in Mango-Sauce. Allerdings hat mich die Verwunderung meiner
Kollegin auf eine Idee gebracht. Nicht dass ich beabsichtige, bizarre Verhörer zu sammeln wie
Axel Hacke. Obwohl sein umstrittener „Wumbaba“ schon für einige Erheiterung bei meinem
Mann und mir gesorgt hat. Auch habe ich nicht vor, zu probieren, wie Kamelfleisch schmeckt.
Ich bin zwar hemmungslos neugierig, aber Kamele essen? Nee, lieber nicht. Da muss ich passen,
die haben so schöne lange Wimpern. Gekräuselte, wie ich bei meinen Recherchen
herausgefunden habe. Ich esse ja auch keine Elefanten! Aber habe ich mir gedacht, es gibt
bestimmt Orte auf der Welt, wo Kamele auf der Speisekarte stehen. Schließlich gibt es ja auch
Känguru, Straußensteaks und Alligator in einschlägigen Restaurants. Ich wollte wissen, wo und
wie Kamele zubereitet werden – rein theoretisch natürlich. Ich kann es nämlich nicht leiden,
wenn mir ein Gedanke zu einem Thema in den Kopf kommt und ich feststellen muss, dass ich
darüber so gut wie gar nichts weiß. Also habe ich im Internet recherchiert und erstaunliche
Sachen über Kamele gelernt.
So haben sie nicht nur diese beneidenswerten Wimpern, sondern sozusagen eine eingebaute
Klimaanlage.
Sie können Ihre Körpertemperatur erhöhen,
um weniger oder gar nicht zu schwitzen.
Die Viecher können sogar Salzwasser
trinken, ohne dass es ihnen schadet.
Überhaupt ist das genial, wie die mit
Wasser umgehen. Innerhalb von 15 bis 30
Minuten können Kamele 200 Liter in sich
rein schlürfen und damit einen ganzen
Monat auskommen.
Mit uns gemeinsam haben sie, dass sie
ganz gerne ihre Füße darin baden.
Ist doch irgendwie sympathisch, so ein
Kamel.
Trotzdem, in den arabischen Emiraten
werden sie gegessen. Australien züchtet
sie und exportiert ihr Fleisch, das sehr
fettarm und eiweißreich, also sehr gesund
sein soll.
Auch wir könnten es online zu uns nach
Hause bestellen.
Nee, ich glaube, tief im Inneren bin ich eine Nomadin, die ihr Kamel erst dann schlachten
würde, wenn es alt und krank und nicht mehr zu retten ist.
​
​
​Illustration unter Verwendung von Grafiken von: EK_Song/Pixabay, Clker-Free-Vector-Images/Pixabay und 13Smok/Pixabay
Der Kürbis
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Im Schrebergarten meines Vaters stand neben der Kompostmiete ein Geräteschuppen aus Metall. Darin waren die üblichen Gartenarbeitsgeräte wie Schaufel, Rechen, Schubkarre, Rasenmäher,
Leiter usw. untergebracht.
Irgendwann bekam ich die Tür nicht mehr auf und mein Vater
musste mir helfen. Sie aufzuschieben war ein ganz schöner
Kraftakt.
Komisch, der ganze Schuppen ist völlig verzogen, stellte
mein Vater fest. Damit war das Thema für uns erst
einmal erledigt. Der Schuppen war schief und damit
hatte es sich.
Blöderweise verschlechterte sich der Zustand des
Gerätehäuschens zusehends. Irgendwann hatte auch
mein Vater seine Schwierigkeiten, die Tür so weit
aufzubekommen, um an die Geräte drinnen
heranzukommen. Jetzt fing er doch an, sich zu ärgern.
Das gibt´s doch nicht, fluchte er und zerrte mühsam die
Leiter aus dem Schuppen, um der Sache auf den Grund zu gehen.
Auf der Leiter balancierend fing er an, laut zu lachen.
Der Übeltäter war ein Kürbis. Ein ziemlich großer, der unbemerkt auf der Kompostmiete
entstanden und dem Sonnenlicht entgegenwachsend auf dem Dach des Schuppens Platz
genommen hatte. Er thronte dort wie Karlsson im Kinderbuch von Astrid Lindgren und war genau
wie jener dort nicht mehr wegzubekommen.
Mein Vater beschloss zu warten, bis das gelbe Ding erntereif wäre. Bis dahin wollte er die Tür des
Schuppens offen lassen und anschließend versuchen, ihn auszubeulen.
Ganz so wie vorher hat er das Gerätehäuschen nicht mehr hinbekommen. Die Tür blieb ziemlich
schwergängig. Nun ja, tote Materie hat keine regenerativen Fähigkeiten. Die Natur allerdings
schon. Fragt sich nur bis zu welchem Punkt.
Wir geben uns ja jede Menge Mühe, unsere Umwelt zu zerstören. Da kann ich nur hoffen, dass
der Cartoon, in dem sich Erde und Mond unterhalten sich nicht bewahrheitet. Der Mond fragt
die ziemlich kränklich aussehende Erde, woran sie denn erkrankt sei. Sie erwidert, sie habe
Menschheit. Worauf der Mond tröstend antwortet, dies würde vorbeigehen ...
Vielleicht besteht ja noch Hoffnung, so lange es schlaue Leute gibt, die die Natur und ihre
Funktionsweise wissenschaftlich erforschen und klassifizieren.
So ist der Kürbis – botanisch gesehen – eine Beere. Kreuzungen mit Zucchini sind möglich, sehen
aber etwas eigenartig aus. Ich finde das seltsam. Zucchini sehen für mich wie Gurken aus.
Ob Gurken dann auch Beeren sind? Und ob Kreuzungen zwischen Kürbissen und Himbeeren möglich sind? Ich stelle mir vor, wie wohl der Abkömmling eines gelben Zentners und einer
Stachelbeere aussehen mag.
Da ich jedoch noch nie davon gehört habe, dass so etwas möglich ist, muss offenbar sogar die
Natur ihre Grenzen haben. Ich finde, wir sollten uns bemühen, nicht so bald darauf zu stoßen, sondern vorher den Rückwärtsgang einlegen.
​​​​Illustration unter Verwendung einer Grafik von: 13Smok/Pixabay
Die unverzeihliche Bärenunterschlagung
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Als ich im vergangenen Jahr elektronische Weihnachtsgrüße mit Fotos meiner Deko verschickte,
antwortete meine Freundin M., die Frau vom Weihnachtsmann und fragte mich nach meinen
Bären. Wie viele ich denn davon hätte.
Ups … Mir war gar nicht klar, wie bärenlastig meine Weihnachtsdeko ist. Aber sie hat recht.
Der Grund für die vielen Bären liegt aber schon einige Zeit zurück. Seither haben sich die
Teddybären offenbar vermehrt wie Karnickel.
​
Als Kind fand ich Weihnachten toll. Als Teenager fand ich es doof. Das blieb auch so, bis ich
Jahre später mit meinem Mann Urlaub in einem kleinen Ort im Harz machte. Das Hotel, in dem
wir abstiegen war romantisch eingeschneit und sehr, sehr gemütlich. In unserem Zimmer stand
ein Ohrensessel und im ganzen Haus waren Teddybären verteilt, gekleidet in Schals, Mützen
und dicke Pullover.
Große Bären, kleine Bären, winzige Bären ...
Da mir das gefiel, kramte ich, als wir wieder zu
Hause waren, meine beiden alten Bären hervor.
Einer von beiden ist nur ein Jahr jünger als ich
und hatte irgendwann einmal sogar eine Stimme.
Die ging kaputt, als ich noch ein Kind war.
Ich könnte ihn zwar reparieren lassen, aber
irgendwie wäre er dann nicht mehr derselbe.
Der zweite Bär ist kleiner als meine Handfläche
und möglicherweise sogar älter als ich.
Seine Herkunft verliert sich im Dunkel unserer
Familiengeschichte.
Es dauerte jedenfalls nicht lange und ein
dritter Teddy gesellte sich dazu. Meine Mutter
hatte ihn aufgehoben, ein weiteres Spielzeug
aus meiner Kindheit. Für den habe ich eine
komplette Ausstattung angefertigt: Pullover,
Schal und Mütze habe ich ihm gestrickt. Danach sah er aus wie neu.
Na ja, und dann haben sie sich weiter vermehrt, die Bären …
​
Ich nenne meiner Freundin also die Anzahl meiner überall in der Bude verteilten Teddybären
und bin selbst baff, weil es so viele sind - das war mir gar nicht bewusst.
Später am Tag bemerke ich Bären, die ich nicht mitgezählt habe. Tatsächlich habe ich fünf (!)
Bären unterschlagen. Wie konnte das nur passieren?
Wie dem auch sei, das ist unverzeihlich! Daher habe ich beschlossen, Inventur zu machen, und
meinen Bärenbestand zu dokumentieren.
Das Ergebnis könnt Ihr Euch „Hinter den Kulissen - Making of Bärige Weihnachten“ anschauen.
Dazu müsst Ihr nur auf das Foto klicken.
Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad
​​
„Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad, Motorrad, Motorrad, meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad ohne Bremse, ohne Hupe, ohne Licht …“
Na, das sollte sie mal heute machen. Da hätte sie ganz schnell die Polizei am Hals, weil sie gegen die Straßenverkehrsordnung verstößt. Gilt die überhaupt im Hühnerstall?
Omas Treiben würde auf jeden Fall die Tierschutzvereine auf den Plan rufen und die Veganer würden Sturm laufen.
Es ist kaum möglich, eine Zeitung aufzuschlagen, ohne auf Berichte über Massentierhaltung
und Tier-Leid sowie Spendenaufrufe gemeinnütziger Vereine zu stoßen, die das verhindern wollen. Gut so!
Die Oma aus dem Nonsens-Lied, dessen Ursprünge bestimmt irgendwo im 19. Jahrhundert liegen, hätte es heutzutage ganz schön schwer.
Ausnahmsweise habe ich mal nicht im Internet recherchiert, woher das Lied stammt.
Erstens stimmt sowieso nicht alles, was man dort an Informationen findet, und zweitens hatte ich dazu keine Lust. Wer von Euch das genau wissen will, kann ja selber nachforschen. Ich bin ja nicht Wikipedia oder so…
Damals eine ganz patente Frau, die im Petticoat aus Wellblech und mit Radioempfang im Backenzahn auf Opas Glatze Schlittschuh lief, ist die Oma aus dem alten Kinderlied zur Verkehrssünderin mutiert, die ohne Licht, ohne Bremsen, ohne Hupe, ohne TÜV unterwegs ist. Eine, die sich ihre Punkte in Flensburg verdient hat.
Und dann auch noch das Geknatter des Motorrads zu Hause bei den armen Hühnern. So eine Tierquälerin! Die gehört eingesperrt. Alles, was dazu nötig war, um diesen Wandel zu vollziehen, ist ein enormer Anstieg der Weltbevölkerung, eine Verknappung der Ressourcen und andere Auswüchse unserer modernen Lebensweise, die immer mehr am Luxus als am wirklich Notwendigen orientiert ist. Aber vielleicht besteht ja noch Hoffnung für die Oma. Wenn sich
die Frauenbewegung, der Verein zur Gleichbehandlung und die Vereinigung Fahrradfahrender Homo sapiens ihrer annehmen. Wenn sie verspricht, sich künftig nur noch vegan zu ernähren und das Motorrad gegen ein Elektrofahrrad eintauscht …
So ein E-Bike ist doch flüsterleise.
Und die Hühner haben bestimmt nichts dagegen, die Oma
damit nach Feierabend nur so zum Spaß die Hühnerleiter
rauf und runter cruisen zu lassen. Schließlich halten sie sich
alle draußen auf, im Freiland, auf der bunt blühenden Wiese.
Und wenn es regnet oder dunkel ist und sie schlafen wollen,
darf die Oma halt nicht rein. Schließlich haben die Hühner im
Hühnerstall das Hausrecht und üben es paragrafengetreu aus.
Jawoll!
Und wenn Ihr mir jetzt immer noch nicht Altersdiskriminierung,
die Vernachlässigung des Gender-Themas und was Euch sonst
noch so einfällt, vorwerft, habe ich mein Ziel verfehlt.
Ich habe mich nämlich wirklich mächtig gewaltig angestrengt, in höchstem Maße politisch unkorrekt und boshaft zu sein …
Pixel
​​
Weißt Du noch …? fragt mein Mann, als wir uns beim
Essen gegenüber sitzen. Er hat diesen gewissen
Gesichtsausdruck und ich kenne ihn lange genug,
um auf Anhieb zu wissen, worauf er anspielt.
Weißt Du noch, damals als wir unser erstes
Mobiltelefon in Betrieb genommen haben?
Na klar, weiß ich das noch! Das ist einer der
Meilensteine unserer persönlichen digitalen
Evolution! Wie könnte ich das vergessen.
Damals … wie sich das anhört … als wären wir beide
so alt wie Methusalem.
Also noch einmal von vorn: Als die Entwicklung
technischer Kommunikationsapparate so richtig
Fahrt aufnahm, hatten die meisten Leute zwar
bereits Festnetztelefone mit Tastatur, aber kein
Mobiltelefon. Ich hatte weder noch. Bei mir zu Hause stand ein Telefon aus Bakelit mit
Wählscheibe. Und wenn ich im Schrebergarten war und telefonieren wollte, ging ich zur
Telefonzelle an der Ecke. Die war eklig versifft, der Hörer klebrig und in der Kabine müffelte
es nach ungewaschenen Füßen. Daher beschlossen mein Mann und ich, uns eines dieser
modernen Hosentaschentelefone anzuschaffen. Die waren damals so groß und schwer, dass die
Hose mit einem Gürtel an Ort und Stelle gehalten werden musste.
Als uns erstmals jemand auf diesem mobilen Monstrum anrief, mähte mein Mann gerade den
Rasen und hörte das Klingeln nicht. Ich hörte es, war aber völlig hilflos, da ich es gewohnt war,
den Hörer abzunehmen - aber bei diesem Ding? Ich schnappte mir also den lärmenden
Apparat und hielt ihn meinem Mann hin mit den Worten: Nun tu doch mal was!
Er verstand meine Misere nicht und forderte mich auf, den Anruf anzunehmen.
Als er endlich kapierte, dass ich nicht wusste wie, guckte er mich an, als käme ich von einem
anderen Planeten.
Inzwischen klimpere ich unerschrocken auf den zuerst immer kleiner, dann größer und
schließlich smart gewordenen Geräten umher. Ich schiebe Pixel hin und her, amüsiere mich
köstlich über viereckige Kühe und grüne Pferde in alten Westernfilmen und bekomme
Lachkrämpfe, wenn ich an die Pixel-Wurst denke, die ich in einem Online-Kochbuch entdeckt
habe. Jemand hatte eine Bratwurst in schlechter Auflösung fotografiert, die im kleinen Format
auf dem Smartphone auch völlig in Ordnung aussah, aber auf dem PC-Bildschirm aus vielen
bunten Quadraten bestand und an die Malereien des Pointillismus erinnerte.
Nun ja, mein erstes Mobiltelefon mit integrierter Kamera produzierte auch Bilder, die wirkten,
als hätte ich mein Fotomotiv aus Legosteinen zusammengebaut.
Inzwischen gibt es sogar richtig dicke Objektive, die mit dem Smartphone verbunden werden
können. Das sieht ziemlich komisch aus, finde ich. Als hätte jemand ein Rohr an ein
Stullenbrettchen geschraubt. Digitale Fotografie ist ja eine tolle Sache, aber meine digitale
Evolution hat Grenzen. Eine Kamera mit modernem Innenleben und altmodischem Äußeren ist
eher mein Geschmack.
Vielleicht sorgt der Retro-Trend ja dafür, dass ich in naher Zukunft mein Wählscheibentelefon
auf digital umrüsten kann.
Das wäre doch mal eine Herausforderung für die Entwickler, oder?
Illustration unter Verwendung einer Grafik von: manfredsteger/Pixabay
Dunkel war´s, der Mond schien helle -
oder Kommunikation ist alles
​​
Ab und zu kommt es vor, dass ich mein Fahrrad in der S-Bahn
mitnehmen muss. Da es spezielle Abteile für Leute mit großem
Gepäck, Rollstühlen, Fahrrädern und dergleichen gibt, sollte dies
kein großes Problem sein. Ist es aber doch.
Häufig ist das Fahrradabteil, wie ich es der Einfachheit halber
mal nennen möchte überfüllt mit Leuten, die nichts anderes als
einen kleinen Rucksack oder ein winziges Handtäschchen dabei
haben. Die werden dann auch schon mal sauer, wenn ich mit
meinem Fahrrad ankomme. Umso bizarrer finde ich dies, wenn
ich sehe, dass der restliche Waggon fast leer ist.
Der menschliche Herdentrieb treibt manchmal schon eigenartige
Blüten.
Ich treffe aber auch auf Leute, die ganz anders drauf sind, und das kann dann richtig Spaß
machen.
Es sprach mich einmal in der S-Bahn ein Mann an, der an meinem nicht ganz alltäglichen
Frontscheinwerfer interessiert war. Nachdem wir uns kurz darüber ausgetauscht hatten,
begann er das Nonsens-Gedicht „Dunkel war´s, der Mond schien helle, Schneebedeckt die
grüne Flur…“ zu rezitieren. Da ich das auch – zumindest zum Teil - auswendig kenne, ergänzte
ich die nächste Zeile. Und so ging es, bis wir beide nicht mehr weiter wussten.
Als ich zu anderer Gelegenheit mein Fahrrad dabei hatte, ging ich auf einem großen Berliner S-Bahnhof ein Bündnis mit einer alten Frau ein, die mit einem Rollator unterwegs war.
Wir versuchten beide in einen sich zu zwei Seiten öffnenden Fahrstuhl zu gelangen. Vergeblich – es kam uns immer jemand von der anderen Seite zuvor. Meistens mit einem Kinderwagen und der Fahrstuhl war dann so voll, dass weder Fahrrad noch Rollator hinein passten.
Also schlug ich der alten Dame vor, den Fahrstuhl von beiden Seiten zu belagern, um uns so
den Nächsten zu schnappen, denn mir war klar, dasswir da beide
zusammen hinein passen. Gesagt, getan, es klappte.
Das haben wir gut gemacht, freute sich die alte Frau und äußerte
die Hoffnung, dass es mit ihrem Anschlussfahrstuhl keine solchen
Schwierigkeiten gäbe. Als ich sie fragte, wo sie denn hin wolle
und wir feststellten, dass wir das gleiche Ziel haben, zottelten wir
gemeinsam los.
Irgendwann werde ich wohl auch so alt und klapprig sein, dass
ich mein Fahrrad gegen einen Rollator eintauschen muss.
Da stelle ich mir die Frage, ob es für diese Dinger auch
Winterreifen gibt – oder vielleicht sogar Schneeketten.
Vielleicht habe ich aber auch Glück und die Klimaerwärmung sorgt dafür, dass es hier keinen Schnee mehr gibt.
Illustration unter Verwendung von Grafiken von: janista/Shuttersock und lantapix/Shutterstock
Mülltonne oder Schatzkiste
​​
In meiner Küche steht ein Müllcontainer. So ein Dunkelgrauer auf Rädern mit Schiebedeckel.
Oh ja, der passt da rein! Der ist nämlich keine 20 cm hoch und breit. Entdeckt habe ich ihn im
Internet und da ich eine Schwäche für Miniaturen habe, musste ich den einfach haben.
Natürlich hatte ich auch einen Verwendungszweck
im Hinterkopf. Ich kaufe doch nicht einfach irgendetwas,
nur weil es mir gefällt. Nee, einen Nutzen muss es schon
haben. Jetzt steht also dieser Müllcontainer in meiner
kleinen Küche und nimmt meine Bio-Abfälle auf.
Wobei, eigentlich müsste ich von Bio-Wertstoffen reden,
schließlich wird alles, was ich zu meinem Kompost trage,
von den dort beschäftigten Schnecken, Asseln,
Regenwürmern usw. recycelt. Oder ist das Upcycling,
was die da machen? Jedenfalls steht am Ende dieses
Prozesses richtig schöner dunkler Humus, mit dem der
Garten gedüngt werden kann.
Ich bin immer wieder aufs Neue fasziniert, wie aus
Obst- und Gemüseschalen, altem Laub und Kaffeesatz
etwas Neues entsteht.
Seit ich diesen Mini-Müllcontainer habe, gehe ich noch
lieber zum Kompost als vorher. Dann trage ich das
kleine Ding wie eine Schatzkiste vor mir her und freue
mich doppelt. Zum einen über die Miniatur und zum anderen darüber, dass meine große
Mülltonne sich nur ganz langsam füllt mit den Dingen, die ich meinen Komposthelfern nicht
anvertrauen kann.
Überhaupt ist es eine Sache der persönlichen Einstellung, ob es sich bei dem, was man vor sich
hat, um Müll handelt oder um etwas, was man schon lange gesucht hat.
One man´s trash is another man´s treasure.
Vor einiger Zeit habe ich zum Beispiel ein hölzernes Wandregal gefunden. Jemand hatte eine
Haftnotiz daran befestigt, auf der stand, man dürfe es gerne mitnehmen. Es gefiel mir, also
habe ich es mitgenommen. Jetzt hängt es frisch lackiert an der Wand auf meiner Terrasse und
dient als Ablagefläche für Gartenhandschuhe, Kräuterschere, Schlüssel und anderen Kleinkram -
sehr praktisch.
Gerade kommt mir die Idee, dass ich ja auch meinen Mini-Einkaufswagen dort parken könnte.
Dann kann ich darin meine Chilischoten in der Sonne trocknen. Drinnen funktioniert das zwar
auch, dauert aber länger. Ja, ich denke, das mache ich so. Und wo ich schon dabei bin, könnte
ich gleich noch eine Espressotasse dazu stellen. Die mag ich nämlich auch, weil die so winzig
sind. Mein Mann hat ja den Verdacht, dass ich mir das Espressotrinken nur wegen der putzigen
kleinen Tassen angewöhnt habe. Da könnte er recht haben.
Oder noch besser, ich stelle den winzigen Zinkeimer drauf, den ich einmal zusammen mit einem
Pflänzchen geschenkt bekommen habe. Den werde ich mit Lehm füllen. Den gibt´s in meinem
Garten nämlich nicht. Deshalb müssen die Bienen, Wespen, Käfer und anderen Viecher, die
meine Insektenhotels beziehen, den woanders her holen, wenn sie die Öffnungen verschließen
wollen. So kann ich meine Vorliebe für Miniaturen wieder mit etwas Nützlichem verbinden.
Außerdem kann es nicht schaden, ein Alibi zu haben. Sonst besteht die Gefahr, dass meine
Familie mich für völlig bekloppt hält.
Das Grauen hat einen Namen
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Ich bin überzeugt: Das Grauen hat einen Namen! Er lautet für jede und jeden von uns anders, aber ich bin sicher, wir alle können ein oder sogar mehrere Lebensmittel oder Gerichte nennen,
vor denen uns graust. Ich bin da keine Ausnahme, obwohl ich wirklich hemmungslos neugierig
bin. Ich wollte sogar schon einmal geröstete Heuschrecke probieren,
aber mein Mann wollte nicht mitkommen und allein in das
Restaurant gehen, wo sie angeboten wurden, wollte ich dann aber
auch nicht. Daher kann ich nicht beurteilen, wie sie schmecken.
Vielleicht teste ich demnächst mal einen von diesen Insekten-
Burgern, von denen in letzter Zeit so viel die Rede ist.
Allerdings habe ich schon mal eine Ameise probiert – aus Versehen.
Sie hatte sich in meinen Joghurt verirrt und ich habe sie erst
bemerkt, als ich sie bereits im Mund hatte. Die war nicht lecker.
Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Ameise an sich ungenießbar
war, oder ob sie im Rahmen der Selbstverteidigung eine chemische
Substanz absonderte, die so widerlich und eklig schmeckte.
Mein persönliches Horror-Menü ist "Eisbein mit Sauerkraut".
Als ich mit meinem Mann einmal eine Kneipe besuchte, in der auch
einige Gerichte (unter anderem "Eisbein") serviert wurden, saß neben uns an der Theke ein
Mann, der auf sein Essen wartete. Als es serviert wurde, wäre ich am liebsten schreiend raus
gerannt.
Diese wabbelnde Fettschicht drum herum! Und dann waren auch noch Restbestände von
Borsten dran … GRUSELIG!
Nun ja, was für mich der blanke Horror ist, ist für die, die es mögen eine Delikatesse.
​
Interessanterweise ändert sich der Geschmack im Laufe des Lebens. So habe ich zum Beispiel
Oliven verabscheut, bis mein Freund C. - der Weihnachtsmann - hartnäckig versuchte, mir
mit Knoblauch gefüllte grüne Oliven schmackhaft zu machen. Da er nicht locker ließ, habe ich
eine probiert, weil ich hoffte, dass er mich dann in Ruhe lässt. Ich war aber ziemlich überrascht,
dass mir die Dinger schmeckten. So saßen wir schließlich auf einer Parkbank und haben den
ganzen Becher, den er gerade erst gekauft hatte, leergefuttert.
Seit diesem Tag probiere ich wirklich fast alles. Man kann ja nie wissen, vielleicht schmeckt es
mir ja – und wenn nicht, bin ich wenigstens um eine Erfahrung reicher.
Gleiche Umgebung - Verschiedene Welten
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Unterwegs mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Fahrrad begegnen mir immer wieder bizarre Situationen und skurrile Leute. Wir sitzen alle in der gleichen S-Bahn oder bewegen uns durch die gleichen Straßen. Trotzdem scheinen sich einige Personen in einem ganz eigenen Universum zu bewegen, zu dem niemand anderer Zutritt hat geschweige denn, es überhaupt wahrnimmt.
So traf ich einmal spät abends auf einen Mann in Anzug und Krawatte - so ein richtig seriös aussehender Business-Typ -, der mitten auf dem Fahrradweg stand und in den Sternenhimmel starrte. Da er auf mein Klingeln nicht reagierte und ich es nicht eilig hatte, hielt ich neben ihm an und fragte ihn, was es dort oben zu sehen gäbe. Er guckte mich an, als wäre er gerade erst aufgewacht.
Manchmal geht´s mir ja genauso. Als Kind war ich gerne mit Magellan und Cook auf Weltentdecker-Tour. Ich glaube, ich habe alles verschlungen, was in der kleinen Bücherei um die Ecke an Sachbüchern zum Thema historische Entdecker zu haben war. Natürlich habe ich auch jede Menge Abenteuerromane gelesen und mir vorgestellt, wie ich mit den vier Musketieren fechte oder gemeinsam mit dem Grafen von Monte Cristo Rachepläne schmiede.
Dumm ist es nur, wenn ich dabei meinen Umsteigebahnhof verpasse oder von einem Kontroletti
dazu aufgefordert werden muss, nun endlich mal den Waggon zu verlassen, weil ich, ohne es zu merken bis zur Endhaltestelle gefahren war.
So schnell wird aus einem „Ich bin dann mal weg“ ein “Hier wollte ich doch gar nicht hin“.
Vor ein paar Tagen bin ich wieder einmal überstürzt aus der Bahn
gehechtet, weil ich über meiner Lektüre vergessen habe, dass ich
in der S-Bahn sitze und auf dem Weg zur Arbeit bin.
Es haben mich aber auch schon andere Leute komisch
angeguckt, weil ich über meinem Buch oder einer lustigen
Nachricht, die ich auf meinem Smartphone erhalten habe,
angefangen habe, laut zu lachen. Das ist mir aber wurscht.
Sollen die doch über mich denken, was sie wollen -
ich bin eine harmlose Irre.
Außerdem laufen so viele Menschen herum, deren Gesichter
an eine geballte Faust erinnern, da muss ich einfach dagegen
halten. Ich kann nicht anders.
„Bei gleicher Umgebung lebt doch jeder in einer anderen Welt.“
An dieses Zitat von Schopenhauer muss ich dann immer denken,
wenn mir wieder einmal so eine verbiesterte Person gegenüber sitzt. Am liebsten möchte ich dann laut vorlesen, was mich gerade zu Lachen gebracht hat. Das traue ich mich dann aber doch nicht.
Krümelmonster
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Heute habe ich einen freien Tag und kann machen, was ich will. Also trödele ich vor mich hin, trinke Tee hin und denke nach. Ich entscheide mich, endlich über eine meiner größten Leidenschaften zu schreiben: KEKSE!
Kekse sind toll. Ungesund. Süß. Überflüssig. Lecker. Ich freue mich, dass es sie gibt.
Als ich ein Kind war, nannte mein Vater mich „Krümelmonster“. Ob das daran lag, dass ich, obwohl klein ein Monster war oder an meiner Liebe zu Keksen und den untrennbar damit verknüpften Krümeln, ich weiß es nicht. Das ist aber auch egal. Was ich damit sagen will ist, dass meine Leidenschaft für Kekse schon sehr lange andauert. Allerdings vermeide ich es inzwischen aufgrund jahrelanger schlechter Erfahrungen, sie im Bett zu essen.
Ich besitze nicht nur bunte Keksdosen, sondern auch einen gläsernen Behälter mit Deckel – ein Geschenk - auf dem „Cookie Freak“ steht. Wenn da Kekse drin sind, sieht es total gemütlich aus. Allerdings hält die Gemütlichkeit nie lange an. Es ist sehr schwer für mich, Kekse zu finden, die nach etwas aussehen, aber langweilig sind und mir nicht schmecken.
Ich könnte auch rund ums Jahr „Spekulatius“ essen. Die haben mir aufgrund der darin enthaltenen Gewürze sogar schon einmal gegen Bauchweh geholfen. Ich glaube, in Belgien gibt’s die immer, nicht nur zu Weihnachten, so wie bei uns.
In Belgien müssen glückliche Menschen leben …
Ich trinke also meinem Becher mit Tee aus und will gerade aufstehen, als ich eine Nachricht auf mein Smartphone erhalte.
Meine Freundin B. will wissen, ob ich „Oreo“-Kekse mag.
Ich weiß es nicht, da ich mich nicht erinnern kann, schon einmal einen gegessen zu haben.
Die sollen sehr ungesund sein, schreibt sie, zu überwiegenden Teilen aus Palmfett, Emulgatoren und künstlichen Aromastoffen bestehen. Ob ich nicht eine Idee hätte,
sie „gesund“ nachzubauen.
Ich lache mich kaputt! Das muss ein Zeichen sein.
Gerade denke ich an Kekse und dann das.
Ich überlege. Nee, gesunde Kekse, so etwas gibt es nicht.
Aber vielleicht bekomme ich etwas hin, was nicht ganz so
ungesund ist.
Es ist also beschlossene Sache: Ich werde demnächst die
von meiner Freundin erwähnten Kekse kaufen, während
ich sie esse, ordentlich krümeln und sie geschmacklich
analysieren. Dann werde ich versuchen, etwas
Vergleichbares zustande zu bringen. Das wird bestimmt
nicht auf Anhieb klappen. Trotzdem werde ich alle meine
Versuche essen und kugelrund davon werden.
Aber das ist unwichtig. Was tut man nicht alles für die Freundschaft 😜
​​​​
Illustration unter Verwendung von Grafiken von: nikapeshkov/Freepik
Eine rechts, eine links
​​
Schon vor einiger Zeit hatte ich über den rauschhaften Zustand berichtet, in dem ich mich befinde, seit ich das Stricken wiederentdeckt habe. Man sollte meinen, dass die damit zusammenhängende Euphorie irgendwann nachlässt.Das sollte sie, tut sie aber nicht.
Ich weiß schon gar nicht mehr, wie das war, damals, als ich noch nicht jeden Tag mit den Stricknadeln herumwerkelte. Ich glaube, ich bin wollsüchtig. Anders kann ich mir nicht erklären, was gerade mit mir passiert.
Ich bin so wunderbar entspannt, wenn ich knoble und tüftle, wie ich den Faden dazu bringen könnte, sich in die von mir gewünschte Form zu verwandeln. Sogar meinem Mann ist das aufgefallen, das mit der Entspanntheit meine ich. Und das will schon etwas heißen.
Inzwischen produziere ich nicht nur Strickjacken. Nein, sogar das Sockenstricken hat seinen Schrecken verloren.
Als Kind hatte ich mir die Herstellung von Socken anhand einer für mich seinerzeit kryptisch anmutenden Anleitung selbst beigebracht, um dahergelaufene Wollreste zu verarbeiten.
Jetzt habe ich die Anleitung erneut gelesen und fand sie nicht weniger verwirrend. Aber entweder habe ich inzwischen mehr Geduld als früher (was eher unwahrscheinlich ist) oder meine Fingerfertigkeit hat sich verbessert. Wie dem auch sei, nach einigen wüsten Flüchen und aufribbeln des bereits gestrickten und viel Frustration beim Neubeginn bin ich inzwischen an einem Punkt angelangt, wo ich die Dinger auch im Schlaf stricken könnte. Erschrecken ist das!
Es kommt aber noch schlimmer: Ich stricke jetzt sogar Mützen!
Aus Resten meistens, aber immerhin Mützen.
Jetzt wollt Ihr bestimmt wissen, was denn
daran so schrecklich ist.
Das kann ich Euch sagen: Ich trage keine
Mützen. Wie bekloppt ist das denn etwas
herzustellen, von dem ich von vornherein
weiß, dass ich es nie im Leben anziehen
oder aufsetzen werde?
Ich stricke also eine Mütze und noch
eine und schaue mir gleichzeitig
kopfschüttelnd dabei zu und denke:
Marie, Du bist bescheuert. Du bist nicht
nur bescheuert, Du hast auch wirklich
Schwein.Du hast doch tatsächlich eine
Mützenliebhaberin in Deiner Umgebung,
die Dir Deine Machwerke gerne abnimmt.
Du darfst nur nicht vergessen, auch sie
hat nur einen Kopf. Schau Dich also besser mal nach weiteren Köpfen um, die Du mit Deinen Werken schmücken kannst.
Was ist dafür besser geeignet als das Internet? Daher habe ich „Strick-Murks“ ins Leben gerufen. Neugierig? Dann klickt auf´s Bild oder diesen Link: https://www.strick-murks.de/
Etwas Dill und einige Schweine -
Offener Brief an Herrn Grün
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Lieber Herr Grün,
ich danke Ihnen! Sie inspirieren mich. Ihr Blog macht einfach Spaß. Es gibt ansprechende Fotos
und ungewöhnliche Kombinationen – ich denke da zum Beispiel an Ihren „Knoblauch-Krokant“ oder die „Schnittlauch-Pfannkuchen mit Kirschen“. Wunderbar! Auch Ihre anderen Rezeptideen gefallen mir sehr. Sie geben gute Tipps, die auch von einer Amateurin wie ich eine bin und die das Kochen nie gelernt hat, leicht und unkompliziert umgesetzt werden können.
Auch die netten, manchmal etwas schrägen Anekdoten um den Professor und seinen Roboter lese ich immer wieder gerne. Letzteren vermisse ich seit einiger Zeit. Er ist doch hoffentlich nicht kaputt?
Ach ja, die Inspiration … Ich probiere vieles aus und manches geht in die Hose. Das macht aber nichts. Ich übe. Oder anders gesagt: ich murkse. Daher auch der Titel meiner Rezepte-Sammlung „Murksbuch 2.0“, die ich zusammen mit kleinen Geschichten aus meinem Alltag auf meiner Website vorstelle.
Meistens passiert mir irgendetwas Blödes und ich versuche mich nicht zu ärgern, sondern das Komische darin zu sehen. Ich höre meinen Freund*innen und Kolleg*innen zu, schnappe Gesprächsfetzen auf der Straße auf oder finde bizarre Dinge im Internet. Mein Computer hilft mir dann, die Bilder, die in meinem Kopf entstehen, umzusetzen.
An dieser Stelle muss ich Ihnen, lieber Herr Grün, noch einmal ein riesengroßes DANKESCHÖN entgegenschmettern. In Ihrem Blog habe ich nämlich eine wahre Perle entdeckt. Es dürfte sich hierbei um einen Übersetzungsfehler handeln, der mich sehr amüsiert hat.
Das Rezept für Ihren „Kartoffelsalat Rørvig“, das meinem Rezept „Kartoffelsalat auf Urlaub in Dänemark“ ähnelt, haben Sie auch in Dänisch eingestellt, wo es an einer Stelle heißt: „nogle dill og nogle grise“. Ins Deutsche übersetzt bedeutet das: „etwas Dill und einige Schweine“.
Glauben Sie mir, ich habe Tränen gelacht
bei der Vorstellung, wie sich viele kleine
Schweinchen auf dem Kartoffelsalat tummeln.
Ein Bild, das nach sofortiger Umsetzung rief.
Es heißt ja immer, das Auge isst mit.
Da ist etwas dran. Die Schweine bilden
einen hübschen Farbkontrast zu den Gurken.
Aber irgendwie finde ich sie dann doch zu
niedlich, um sie zu essen. Ich werde wohl
bei Dill und Röstzwiebeln bleiben.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen noch
viele Ideen und schöne Tage im Garten
und im Kochlabor mit dem Professor.
Machen Sie weiter so!
Es grüßt Sie ganz herzlich, Ihre Marie. llustration unter Verwendung von Grafiken von Clker-Free-Vector-Images/Pixaby
In Unterhose zum Mond
​
​
Ich liebe schräge Geschichten und farbige
Formulierungen, die dafür sorgen, dass ich
gleich ein Bild vor meinem geistigen Auge sehe.
Genau das ist, glaube ich, auch gemeint, wenn
angehenden Schriftsteller*innen der Hinweis
„show, don‘ t tell“ mit auf den Weg gegeben wird.
Es gibt so herrlich wunderbare Aussagen und
bildhafte Sprichworte.
So siehst du zum Beispiel den Wald vor lauter
Bäumen nicht, stehst wie der Ochs vor‘ m Berg
oder wie ein Dampfer auf der Wiese. Wenn du
nicht schlafen kannst, beginnst du Schafe zu
zählen. Das finde ich aber eher langweilig.
Viel besser gefällt mir, dass du dich bei akuter
Schlaflosigkeit wie ein Furz um die Laterne drehst.
Ist eine Gelegenheit verstrichen, heißt es: Der Drops ist gelutscht. Wenn du etwas absolut nicht verstehst und komplett verwirrt bist, glotzt du unter Umständen wie ein Schwein ins Uhrwerk.
Du kannst vom Pferd getreten oder vom Elch geknutscht werden. Es gibt Quatsch mit Soße und es kann so duster wie in einem Bärenarsch sein.
Wobei ich lieber nicht darüber spekulieren möchte, wie jemand wissen kann, wie es dort
aussieht. Daher unterstelle ich der Person, die diesen Ausspruch geprägt hat, einfach mal eine sehr gute Vorstellungskraft.
Auch festzustellen, wie ein Bär um die Eier aussieht und diese Begegnung lange genug zu überleben, um davon berichten zu können, erscheint mir eher unwahrscheinlich zu sein.
Je bizarrer sie sind, umso besser gefallen mir diese Beschreibungen. Hier haben Menschen ihre Fantasie spielen lassen und sich diese Bilder ausgedacht. Anderen wiederum haben sie mindestens so gut gefallen wie mir, weshalb sie im Laufe der Zeit Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs wurden.
Nun möchte ich die Gelegenheit beim Schopf packen - auch wenn ich finde, dass das eine ziemlich brutale Vorgehensweise ist - und auch etwas beitragen.
Folgende Situation: Ein Kollege kam zu mir ins Büro, um mir eine Frage zu stellen. Offenbar konnte er aber mit meiner Antwort nichts anfangen, denn diese hatte zur Folge, dass er mich so irritiert anschaute, dass sofort ein Bild in meinem Kopf entstand.
Ich fand, mein Kollege würde dreinschauen, als hätte ich von ihm verlangt, nur mit einer Unterhose bekleidet, zum Mond zu fliegen.
Wenn diese Formulierung noch nicht existiert; ich stelle sie gerne zur Verfügung 😉
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lIllustration unter Verwendung eines Fotos von: Craig Letourneau/Pixabay und einer Grafik von: OpenClipart-Vectors/Pixabay
Humor ist, wenn man trotzdem lacht
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Ich muss zugeben, ich habe Vorurteile. Damit stehe ich nicht alleine da. Viele Menschen haben
Vorurteile. Das macht es aber nicht besser - im Gegenteil.
Meine Vorurteile richten sich gegen Leute ohne Humor. Die sind mir irgendwie suspekt und ich
versuche, ihnen möglichst aus dem Weg zu gehen. Das ist leider nicht immer möglich.
Umso besser, wenn ich nicht nur privat auf Menschen treffe, die Humor haben, sondern auch
im beruflichen Umfeld.
Vor Jahren hatte ich eine Kollegin, mit der ich mir zeitweise sogar ein Büro geteilt habe, die
nicht nur über einen, wie ich finde, ausgeprägten Sinn für Humor verfügte, sondern auch
bizarre Situationen geradezu magisch anzuziehen schien. Was ihr alles so zugestoßen ist, war
zum Teil geradezu filmreif. Auch wenn sich unsere Wege inzwischen getrennt haben, bin ich
überzeugt, die Kette Merkwürdigkeiten, die ihr Leben durchzogen ist noch nicht vorbei.
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Ich erinnere mich, wie wir im Büro alles stehen und liegen ließen und Tränen lachten, wenn
sie – aus dem Urlaub oder dem Wochenende kommend – auf ihre ulkige Art erzählte, was ihr
so alles passiert war.
So berichtete sie davon, wie sie sich einmal auf einem Weihnachtsmarkt einen noch nicht
ausgehärteten kandierten Apfel gekauft hatte. Der Zuckerguss wurde fest, als sie hinein biss.
Weil ihre Schneidezähne nicht mehr die stabilsten waren, konnte sie jedoch nicht abbeißen,
sondern musste mit dem Apfel vorm Gesicht die Toilette eines Kaufhauses am Platz aufsuchen,
um das Obst wieder los zu werden.
Ihre Zähne waren locker, weil sie einmal im Urlaub auf einer Bergwiese ins Gras gebissen hatte
(ihre eigenen Worte). Dort war sie gestolpert, während sie mit ihrem Mann sprach und mit
offenem Mund unbeabsichtigt dem Gras auf der Alm ziemlich nahe gekommen. Den Rest gab
sie ihren Zähnen allerdings beim Spazieren gehen in ihrer Nachbarschaft. Dort geriet sie mit der
Fußspitze unter ein Holzbrett einer Baustellenabdeckung auf dem Gehweg, schlug der Länge
nach hin und verlor dabei alle vorderen Zähne.
Sie schickte uns per E-Mail mit dem Betreff „Halloween“ ein Foto von sich ins Büro, auf dem sie
breit grinsend ihr grün und violett schillerndes Gesicht präsentierte - Aua!
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Am bizarrsten fand ich aber die Sache mit der Hollywoodschaukel.
Diese stand auf ihrem Balkon, wurde an einem
stürmischen Sommertag von dort heruntergeweht
und landete fein säuberlich zwischen den Autos auf
dem Parkplatz des Mietshauses, in dem sie wohnte.
Eine Nachbarin, die dies von ihrem Fenster aus
zufällig beobachtet hatte, berichtete ihrem Mann
davon. Der glaubte ihr zwar nicht und erzählte die
Sache aber trotzdem weiter.
Ob der Mann wohl Sinn für Humor bewies oder sich
verschaukelt fühlte, als einer seiner Zuhörer ihm
antwortete, die Hollywoodschaukel würde seiner
Tochter gehören?
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lIllustration unter Verwendung eines Fotos von: Manfred Antranias Zimmer/Pixabay
Shopping-Queen
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Dass mir hier niemand auf falsche Gedanken kommt:
Ich bin keine Shopping-Queen!
Im Gegenteil, ich verabscheue es geradezu, mir Klamotten zu kaufen.
Sobald ich ein Bekleidungsgeschäft betrete und die vielen bunten
Fummel in Regalen, auf Tischen und auf Bügeln sehe, möchte ich
am liebsten sofort wieder umkehren.
Die Vorstellung, mich da durchzuarbeiten, etwas auszuwählen
und dann in einer viel zu engen Umkleidekabine anzuprobieren,
nur um festzustellen, dass mir das Teil entweder zu groß oder
zu klein ist, schreckt mich ab.
Okay, ich könnte mir eine der freundlichen Verkäuferinnen
zu Hilfe holen, die mir dann, während ich in Unterwäsche in
meinem Kabuff stehe und warte, neue Klamotten zum Probieren bringt. Dann muss ich aber Small Talk mit ihr betreiben und dazu habe ich keine Lust.
Deshalb kaufe ich meine Kleidung meistens im Internet, und das auch nur selten. Eigentlich immer nur dann, wenn etwas kaputt ist oder wie gerade jetzt mir nicht mehr passt, weil ich entweder zu viele Kekse gegessen habe oder sich aufgrund der Hormonumstellung in einem gewissen Alter mein körperliches Erscheinungsbild verändert.
Gerade ist es wieder so weit: Ich brauche neue Klamotten. Wochenlang habe ich versucht,
den Umstand zu ignorieren, dass bestimmte Teile und ich einfach nicht mehr miteinander kompatibel sind. Wie ärgerlich.
Vor ungefähr einem Jahrzehnt – ehrlich - habe ich mich in einem Bekleidungsgeschäft beraten lassen und mit einer großen Papiertüte den Laden verlassen in dem Wissen, dass sich diese leidige Angelegenheit erst einmal erledigt hat.
Jetzt hat sich das Klamotten-Thema zurückgemeldet. Na gut, denke ich, dann gehe ich wieder in den gleichen Laden und wenn ich Glück habe, ist anschließend für weitere zehn Jahre Ruhe.
Hürde Nummer eins habe ich also genommen. Mein innerer Schweinehund ist bereit, sich aufzuraffen und shoppen zu gehen. Schon erwartet mich Hürde Nummer zwei. Der Laden ist umgezogen und residiert jetzt in der „Mall of Berlin“. Ausgerechnet …
Aber ich bin jetzt auf Kurs und sage mir selbst: „Ich schaffe das!“ Hürde Nummer drei erwartet mich in der Mall. Das Infoterminal ist störrisch und akzeptiert meine Eingaben erst, nachdem ich mit viel Elan und Kraftaufwand darauf herumdrücke.
Als ich endlich herausgefunden habe, wo ich hinmuss, stürme ich durch die Mall und erreiche
„meinen“ Laden. „Uff, ich hab´s geschafft“ rutscht es mir heraus, als ich ihn betrete.
„Was haben Sie geschafft?“ fragt mich eine Verkäuferin und ist über meine Antwort sichtlich
amüsiert.
Es wird ein zielorientierter, erfolgreicher Einkauf mit sehr wenig Small Talk, einer leeren Geldbörse auf meiner und einer vollen Kasse auf der anderen Seite.
Ich verabschiede mich erschöpft und zufrieden: „Tschüss. Ich wünsche Ihnen einen schönen
Feierabend. Bis zum nächsten Mal in zehn Jahren.“
lIllustration unter Verwendung einer Grafik von OpenClipart-Vectors/Pixabay
Wildes Brandenburg
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Als ich neulich frühmorgens gemütlich zum
Bahnhof radelte, begegnete mir ein Raubtier,
welches mich offenbar zum Frühstück
verspeisen wollte.
Eine stinknormale Hauskatze pirschte sich wie
eine Löwin in einemDokumentarfilm an mich
heran … Eine solche Selbstüberschätzung
begegnet mir sonst nur in menschlicher
Gestalt. Ich bin doch keine Antilope und eine
Maus schon gar nicht. Für die Katze bin ich
ein zu großer Happen. Trotzdem wirkte sie etwas enttäuscht, als ich an ihr vorbei fuhr. Normalerweise rennen die Miezen wie die Hasen, wenn ich mit meinem Fahrrad daher komme.
Andere Tiere natürlich auch – meistens. Manche bleiben aber auch stehen und warten, bis
ich an ihnen vorbeigefahren bin. So treffe ich auf vorsichtige Füchse, skeptische Igel, flotte Waschbären und sogar den Biber, der unseren kleinen Bach staut, habe ich schon einmal gesehen. Manchmal riecht es dort, wo ich lang fahre, auch nach Wildschweinen - denen möchte ich lieber nicht begegnen.
Mein Mann nimmt meistens den Weg am Bach entlang und freut sich, wenn er neben den Enten und den Bisamratten auf einen Fischreiher trifft. Der Reiher scheint allerdings großen
Wert auf seine Intimsphäre zu legen. Er lässt sich immer nur dann in der Nähe des Wanderweges blicken, wenn mein Mann seine Fotoausrüstung nicht dabei hat.
Es kommt aber auch vor, dass die hiesige Fauna uns auf den Pelz rückt. So hatten wir in unserem Garten bereits Besuch von einem Rothirsch. Einmal lag er neben unserem Teich in
der Sonne, als ich von der Arbeit nach Hause kam und guckte mich an. Erst als ich vor Überraschung „Ach du Scheiße!“ sagte, beschloss er, sich zu verkrümeln. Mein Ausruf hindert
ihn allerdings nicht daran wiederzukommen. Dass es ihm bei uns offenbar gefällt, werte ich einfach mal als Kompliment für unsere naturnahe Gartengestaltung.
Der Igel, der in unserem Garten wohnt, ist auch nicht nur in der Dämmerung, sondern auch tagsüber unterwegs. Ich bemerke ihn immer nur aufgrund der leise raschelnden bodennahen Pflanzen, in deren Schutz er sein Jagdgebiet auf der Suche nach Insekten und Schnecken durchstreift.
Schön, so viel Natur auf relativ kleinem Raum!
Wenn allerdings die Ringeltauben, die ihren Donnerbalken genau vor meiner Haustür haben und auch am Wochenende, wenn ich ausschlafen möchte, bereits morgens um halb fünf zu gurren anfangen, demnächst bitte umziehen würden, wäre das ein Beitrag zu guter Nachbarschaft, den ich sehr begrüßen würde. So wie ich die Viecher einschätze, werden sie
sich weigern. Was dann? Ich kann sie ja schlecht wegen Störung der Nachtruhe verklagen.
Den Ast, auf dem sie sitzen absägen, ist auch keine Lösung - der Baum kann schließlich nichts dafür. Und die Tauben hocken dann garantiert auf der Regenrinne.
Sch... schöne Natur!
lIllustration unter Verwendung eines Fotos von: katja/Pixabay
Blaupapier
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Blaupapier … Kennt das noch jemand?
Bevor Kollege Computer Einzug in die Arbeitswelt hielt,
mussten wir Schreibtischtäter*innen von Hand schreiben.
Allein die Vorstellung, von einem Schriftstück zwei
Durchschläge mit Blaupapier anzufertigen, trieb mir den
Schweiß auf die Stirn. Wenn ich Pech hatte, reichten
meine Bemühungen nicht einmal aus, und auf Blatt
Nummer drei waren nur geisterhafte hellblaue Schemen
zu erkennen.
Die Arbeit mit Blaupapier erforderte ein Höchstmaß an
Konzentration und Muskelkraft. Nur ein Schreibfehler und
ich musste noch einmal von voranfangen.
Ein Albtraum ... Wenn ich wenigstens eine Schreibmaschine zur Verfügung gehabt hätte. Die waren jedoch den Schreibkräften – Kanzlei wurde das damals genannt – vorbehalten. Dort wurden aber nur die Briefe getippt, die das Haus verlassen sollten.
Dafür durfte ich dann das Diktiergerätnutzen. Yeah!
Interner Schriftwechsel und sonstige schriftliche Dokumente allerdings bedeuteten: Blaupapier.
Manchmal läutete ich meinen Feierabend mit verkrampften Fingern, Muskelkater, und/oder
mit Pflastern übersäten Händen ein. Papier mag ja geduldig sein, es verfügt aber auch über scharfe Kanten. Ungeschickt gehandhabt hinterließ es des öfteren schmerzhafte Schnittwunden. Einmal kam ich sogar mit einer ordentlichen Quetschung an einer Hand nach Hause.
Die Ursache war ein defekter Locher. Frag´mich bitte niemand, wie ich das geschafft habe.
Das Büro-Utensil hatte sich in meine Hand verbissen und ich benötigte einige Zeit und die Hilfe einer Kollegin, um es wieder loszuwerden. Bis ich an diesem Tag zu Hause ankam, ähnelte meine Hand einer Aubergine und mein Mann fragte, ob ich eine Zulage ausgezahlt bekäme,
da ich ja offenbar einen sehr gefährlichen Job ausübe.
Das Gefahrenpotenzial sank zwar nicht als ein PC in mein Büro einzog, bedeutete aber das Ende der Blaupapier-Ära.
Der erste Rechner war so ein klobiges dickes Teil, das viel zu viel Raum einnahm, später kam dann ein flacher Monitor. Inzwischen gibt´s Laptops und Tablets fürs mobile Arbeiten oder im Homeoffice.
Locher und Papier sind aber noch da. Nicht mehr lange und es wird ihnen ergehen wie dem Blaupapier. Sie werden nicht mehr gebraucht und wandern entweder ins Museum (vielleicht) oder in den Müll (wahrscheinlich), wie die letzten Bögen Blaupapier, die ich neulich beim Aufräumen gefunden habe. Möglicherweise war es ein Fehler, sie wegzuschmeißen.
Mein Neffe findet Blaupapier cool, sagt er.
Mmh… Die Retro-Welle … Möglicherweise hätte ich es verkaufen und damit reich werden
können … So ein Mist!
lIllustration unter Verwendung einer Grafik von OpenClipart-Vectors/Pixabay
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Neulich erhielt ich eine Nachricht auf Instagram, in der
ich gefragt wurde, ob man mich etwas fragen dürfe.
Ist doch schon passiert, dachte ich und schaute mir den
dazugehörenden Account an. Ich wollte wissen, wer da
so umständlich kommuniziert, anstatt direkt zur Sache
zu kommen. Gut, ich will nicht meckern, vielleicht wollte
der- oder diejenige nur freundlich sein. Trotzdem ... Also rufe ich den Account auf und staune.
Das passiert mir auf Instagram ziemlich oft.
Ich staune und wundere mich über die vielen „Likes“,
die jemand für ein - in meinen Augen - unappetitliches
oder verschwommenes Foto erhalten hat, über inhaltsleere Beiträge, die
viele Nutzer*innen anzusprechen scheinen, mir aber am Allerwertesten vorbeigehen. Ob etwas mit mir nicht stimmt?
Vielleicht habe ich aber auch nur einen komischen Geschmack. Hunderte, manchmal sogar tausende Follower können sich doch nicht irren, oder? Der Beitrag muss etwas zu bieten
haben, das mir entgangen ist.
Ich lese weiter, beginne den Kopf zu schütteln, zu grinsen, zu kichern und kann mich über
kurz oder lang nicht mehr beherrschen und fange an zu lachen.
Wow! Jetzt weiß ich, was ich tun müsste, um Tausende Follower zu erhalten.
Es ist eigentlich ganz einfach; alles, was nötig ist, sind niedliche Tierfotos, Filmchen mit tapsigen Welpen, Kalendersprüche und abgeschriebene Weisheiten aus einem Psycho-Ratgeber für ein erfülltes Leben. Wenn ich dann auch noch eine junge hübsche Visage in die Kamera halte,
kann nichts mehr schiefgehen, nicht wahr?
Ich stelle mir vor, ein „Reel“ aufzunehmen, in dem ich mit meinem nicht mehr ganz so jungen Gesicht in die Kamera glotze, ein niedliches Plüschtier im Arm halte und meinen „Followern“ Plattitüden wie „Die Erde ist rund“ oder „Am Morgen geht die Sonne auf und Abend geht sie unter“ entgegenflöte. Die Vorstellung treibt mir Lachtränen in die Augen.
Was da so auf Insta los ist, ist manchmal wirklich schräg. Und schräg habe ich es ja ganz
gerne, dennoch …
Liebe (potenzielle) Follower: folgt mir nicht, wenn Ihr nicht über den gleichen abwegigen Humor verfügt wie ich. Und was „Reels“ betrifft, die gibt´s bei mir natürlich auch.
Schaut mal rein. Und keine Angst, ich beiße nicht … jedenfalls nicht immer 😜
Tage wie dieser
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In den Öffis hatte ich heute wieder einmal - teilweise ungewollten - Kontakt zu den unterschiedlichsten Menschen: teilnahmslosen, neugierigen, freundlichen, ignoranten, besserwisserischen, unfähigen, fassungslosen …
Seit Wochen wird bei der Bahn wieder einmal gebaut.
Das bedeutet SEV - Schienenersatzverkehr. Ein zusätzliches Hindernis zu der ohnehin schon risikobehafteten Beförderungsart S-Bahn.
Für den Weg, für den ich normalerweise eine Stunde benötige, muss ich jetzt fast eine weitere Stunde zusätzlich einplanen. Da ich meine Zeit aber nicht damit verplempern möchte, aus dem Fester oder in die meistens verkniffenen Gesichter meiner Mitreisenden zu gucken, nehme ich meine Brille ab und alles außer meinem Strickzeug verschwimmt in freundlicher Unkenntlichkeit. Freundlich spricht mich auch die Frau an, die mir gegenübersitzt. Es sei ihr ein Bedürfnis, mir mitzuteilen, wie entspannend es auf sie wirken würde, mir zuzuschauen und wie beneidenswert sie es findet, dass ich stricken kann.
Ich überreiche ihr meine Visitenkarte. An der nächsten Station steige ich um und wir wünschen uns gegenseitig noch einen schönen Tag.
Mein Anschlusszug lässt auf sich warten und schon spricht mich die nächste Frau an, die mir Statistiken um die Ohren haut und mich scheinbar zu ihrer Weltanschauung bekehren will.
Ich sage ihr, sie solle mir mit ihrem Gequatsche nicht
auf die Nerven gehen, woraufhin sie sich einigen
Jugendlichen in der Nähe zuwendet und über die
Ungefährlichkeit von Corona schwadroniert.
Als ich endlich beim SEV angelangt bin,
wundere ich mich, weshalb so viele Leute
um den Bus herumstehen. Der Fahrer will
offenbar seine Ruhe haben und hält die Türen
geschlossen. Erst kurz vor der Abfahrt lässt er
uns einsteigen.
Als er losfährt, möchte ich am liebsten sofort
wieder aussteigen. Sein Fahrstil wirkt auf mich,
als würde er ständig Brems- und Gaspedal verwechseln. Die Fahrt entwickelt sich zu einer stricktechnischen Herausforderung und ich gerate in Versuchung, ihn zu fragen, ob er seine Passagiere mit Absicht so durchschüttelt oder ob er seinen Führerschein billig ersteigert hat.
Endlich an meinem Ziel angekommen, treffen sich die Blicke eines weiteren Fahrgastes und meiner. Er sieht aus, als wolle er etwas sagen, sich aber nicht trauen. Also sage ich: „Der war
ja wirklich ohne Worte.“ Der Mann nickt. „Ja, antwortet er, „ohne Worte“.
Ich bin schon neugierig auf das, was mir morgen in den Öffis begegnen wird.
Es heißt ja: Reisen bildet. Na dann auf in die nächste Runde.
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Diplomatie - oder der elegante hammer
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Meine Definition von Diplomatie bezeichnet die Kunst, anderen Menschen die Meinung zu sagen, ohne dass sie sauer werden dürfen.
Die Definition laut Duden online liest sich - verkürzt dargestellt - wie folgt: „Diplomatie, die/Wortart Substantiv, feminin (…) diplomatisches Verhalten/Beispiele: das ist eine Frage der Diplomatie - du musst mit (mehr) Diplomatie vorgehen/Synonyme zu Diplomatie: Gewandtheit, Klugheit, Taktik, Verhandlungsgeschick (…)“
Meine gefällt mir besser.
Diplomatie ist für mich immer noch so etwas wie eine Fremdsprache. Ich bin einfach zu direkt. Andeutungen oder vorsichtige Formulierungen verstehe ich nicht auf Anhieb. So etwas muss ich erst einmal in meine Art zu kommunizieren übersetzen.
Mein Mann ist der Meinung, ich hätte in meinem verbalen Werkzeugkoffer jede Menge unterschiedliche Hämmer. Einen großen Hammer, einen kleinen Hammer, einen Gummihammer, einen Vorschlaghammer …
Vor kurzem ist sogar ein hübsch verpackter Hammer dazu gekommen. Sozusagen einer mit einer Schleife dran. Entstanden ist er aus meiner Antwort auf sich wiederholende nervige E-Mails. Ich wollte der Absenderin deutlich zu verstehen geben, dass sie mich mit ihrem Ansinnen nicht weiter belästigen möge, sie aber auch nicht direkt beleidigen.
Was tun? Wie sage oder schreibe ich jemandem, dass er oder sie
mir auf den Keks geht?
Und vor allem, wie erreiche ich damit mein Ziel?
Theoretisch ganz einfach; mit Diplomatie.
Faktisch – für mich – gar nicht so einfach. Aber ich bin ja lernfähig.
Ich feile also an meinen Sätzen und Formulierungen.
Das Ergebnis ist eine ebenso prägnante wie freundlich bestimmte
Aussage, auf die ich mächtig gewaltig stolz bin.
Nicht zuletzt deshalb, weil meine Freundin Y., die Diplomatie perfekt
beherrscht und sich so gewählt und elegant ausdrückt wie niemand sonst
die oder den ich kenne, meine Antwort auf besagte E-Mails genau so
bezeichnet; als elegant.
Ein eleganter Hammer. Das gefällt mir.
Das gefällt mir sogar so gut, dass ich beabsichtige, meine Hammer-Sammlung um weitere von der eleganten Sorte zu erweitern. Und wenn ich mir richtig Mühe gebe, steht der Begriff vielleicht irgendwann auch im Duden. Yeah!
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